Der giftige Schutzschild der Terroristen

Um sich vor Luftangriffen zu schützen, haben die Terroristen des Islamischen Staates im Irak Dutzende Ölquellen angezündet. Seit Monaten brennen sie schon. Die Folgen sind verheerend.

Text: Andreas Bättig

Pechschwarze Rauchwolken steigen in den Himmel und verdunkeln die Sonne. Richtig hell wird es in der irakischen Ortschaft Qayyarah schon lange nicht mehr. Die Rauchwolken stammen von den Ölquellen, die seit Monaten im Ort brennen. Qayyarah wurde Mitte 2014 von den Terroristen des sogenannten Islamischen Staates eingenommen. Von hier aus sollen die Terroristen täglich rund 10 000 Barrel Öl exportiert haben. Vor gut drei Monaten konnte die irakische Armee die Ortschaft im Zuge der Befreiung der IS-Hochburg Mossul zurückerobern. Bei den Kämpfen hatten die IS Terroristen die Ölquellen in Brand gesteckt, um zum einen mit dem Rauch den Drohnen und Kampfflugzeugen der Anti-IS-Koalition die Sicht zu nehmen und zum anderen möglichst grosse Schäden in der Region zu hinterlassen.

Bis heute ist es nicht gelungen, die Ölfelder zu löschen. Gemäss dem kurdischen TV-Sender Rudaw stehen noch immer gegen 20 Ölquellen in Brand. Zwar versucht die Feuerwehr, den Ölbrand mit Wasser unter Kontrolle zu bringen, doch die enorme Hitze und der Rauch machen ihr zu schaffen. Vor den giftigen Dämpfen schützen sie sich in der Regel nur mit einem billigen Mundschutz. Laut der Nachrichtenagentur Reuters mussten bis jetzt gut 1000 Menschen der 15 000 Einwohner von Qayyarah im nahe gelegenen Spital behandelt werden. Ärzte vor Ort berichten über Probleme beim Atmen, brennende Augen und Hautirritation ihrer Patienten. Die Langzeitfolgen könnten aufgrund der giftigen Rauchwolke und dem Russ verheerend sein. Ein Bewohner sagte gegenüber dem «Time»-Magazin: «Wenn wir schlafen gehen, ist alles sauber. Doch wenn wir am Morgen aufwachen, sind unsere Gesichter verrusst.» Nicht nur den Menschen macht die Verschmutzung zu schaffen, sondern auch den Tieren und der Umwelt. Vögel sterben, Kühe sind verschmutzt, Öl ist zu Tausenden Litern in den Fluss Tigris geflossen, der als Trinkwasserquelle dient. Auch die Äcker wurden unbrauchbar.


Industriegifte als chemische Kampfstoffe

Die brennenden Ölfelder von Qayyarah könnten im Kampf um die 60 Kilometer nördlich gelegene IS-Stadt Mossul nur der Anfang gewesen sein. Gemäss dem investigativen Recherchekollektiv «Bellingcat» gibt es in Mossul selber Dutzende Fabriken mit hochgiftigen industriellen Chemikalien, die als Waffe eingesetzt werden könnten. Zum Beispiel das Kerosin des Flughafens Mossul, Ammoniak aus den Elektrizitätswerken, zahlreiche explosive Stoffe der Mossul-Militärbasis sowie unzählige weitere Ölfelder.

Industrielle Gifte als Waffe einzusetzen, ist eine relativ neue Taktik, die gleich mehrere Ziele verfolgt: Der Vormarsch der Bodentruppen soll verlangsamt, die Sicht für Kampfflugzeuge genommen sowie die lokale Bevölkerung bestraft werden. Die Gegend soll für den Feind möglichst unbrauchbar zurückgelassen werden. Bereits jetzt sollen rund um Mossul zahlreiche Gräben ausgehoben und mit Öl gefüllt worden sein, um es anzünden zu können.